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Geschichte
Wo sich heute St. Pölten befindet, bestand vom 1. bis zum 4. Jahrhundert nach Christus die römische Stadt Aelium Cetium. Sie war ein Zentrum der römischen Provinz Noricum. Der christliche Glaube kam wahrscheinlich im Laufe des 2. Jahrhunderts durch römische Soldaten in die Provinz.
Am Ende des 3. Jahrhunderts war der hohe römische Beamte Florian zum christlichen Glauben übergetreten. Da er sich unter anderem weigerte, den römischen Göttern zu opfern, wurde er zunächst vom Dienst suspendiert und mit Ehr- und Pensionsverlust in die Verbannung ins heutige Sankt Pölten geschickt. Im Jahre 304 erlitt er dann in Lorch in Oberösterreich den Märtyrertod.
Bereits seit 771 findet sich das dem Hl. Hippolyt geweihte und vom Kloster Tegernsee aus gegründete Benediktinerkloster am Ort. Der Name St. Pölten geht auf Hippolytos zurück, nach dem Kloster und Stadt benannt wurden: St. Hippolyt – St. Polyt – St. Pölten. Im Jahre 1081 wurde das Benediktinerkloster in ein Augustiner-Chorherrenstift umgewandelt.
Im 13. Jahrhundert lebten 20.000 Waldenser zwischen St. Pölten und Traisen in kleinen Gemeinden, sie wurden vertrieben und ausgerottet. Ab 1522 regte sich dann reformatorischer Geist.
1604 bekannten sich trotz Drohung seitens des Kaisers nur noch vier Bewohner zur römisch-katholischen Kirche. Dann allerdings gelang es der Gegenreformation, innerhalb von 25 Jahren das evangelische Leben in St. Pölten zu beseitigen - 100 Jahre nach dem Aufkommen des evangelischen Bekenntnisses.
1781 erließ Kaiser Josef II. das Toleranzpatent, durch welches "Akatholische" in seinem Land "geduldet" wurden und sie (sehr eingeschränkte) Freiheiten der Glaubensausübung erhielten. In Mitterbach am Erlaufsee wurde 1785 die erste evangelische Toleranzgemeinde in Niederösterreich gegründet.
Dreimal (1830 bis 1838) suchten Bürger aus Wilhelmsburg über Pastor Unger um Genehmigung für evangelische Gottesdienste bei der - staatlich dominierten - obersten Kirchenbehörde in Wien an; dreimal wurde abgelehnt.
Ab 1856 gab es dann wieder reges evangelisches Leben im heutigen Pfarrgemeindegebiet. Anlass war der oldenburgische Reichsgraf Gustav Adolf von Bentinck. Da seine Gefolgschaft auch evangelisch war, erwirkte er die Errichtung eines evangelischen Friedhofes in Fridau, anlässlich seines verstorbenen Reitknechts Johann Döster, welcher am 28. August 1857 auf seinem Grundstück nach protestantischem Ritus beerdigt wurde. Am 26. Nov. 1857 stiftete Gustav Adolf Reichsgraf von Bentinck ein Stück Wald auf dem Evangelischen Kalvarienberg, 500m südlich des Schlosses als evangelischen Beerdigungsplatz. Am 15. April 1858 wurde er offiziell genehmigt und ins Grundbuch als Servitut für die Evangelische Kirche festgeschrieben.
Unermüdlich setzte sich Bentinck für einen evangelischen Gottesdienst ein und stellte dafür in seinem Schloss die Räumlichkeiten zur Verfügung, ebenso einen eigenen Hausgeistlichen. Dies wurde schließlich 1865 von der Kirchenleitung genehmigt und es konnten evangelische Gottesdienste gehalten werden.
Am 13.4.1866 wird Friedrich Ernst Julius Traube aus Altenburg/Oldenburg als Schlossprediger in Fridau bestätigt und dazu verpflichtet, 7x jährlich Gottesdienst auch in Krems zu halten.
1870 verkauft der Reichsgraf seine Grundstücke an Graf Trauttmannsdorf und zieht nach Hessen, "wo er ein Rittergut ernerbt" [sic].
1872 und 1873 finden je 4 Gottesdienste jährlich statt.
1873 konstituierten sich dann in St. Pölten 17 Evangelische als Filialgemeinde von Wien.
Die Gründer der evangelischen Filialgemeinde St. Pölten sind:
Graf Karl Baudissin von Zinzendorf (Gutsbesitzer, Wasserburg), Georg Bauer (Spengler, St. Pölten), Eduard Christofori (Kupferschmied, St. Pölten), Heinrich Hamann (Privatier, Wilhelmsburg), Andreas Herrmann (Gasthausbesitzer, Wilhelmsburg), Ludwig Kaim (Hausbesitzer, Melk), Ernst Kerkow (Tapezierer, St. Pölten), Emil Kühn (Ökonom, Neulengbach), Heinrich Albert Karl Loysch (Fabriksbesitzer, Pielach), Friedrich Pook (Lederermeister, St. Pölten), Karl Rühmann (Maler, St. Pölten), Ludwig Schmidt (Lederer, St. Pölten), Wilhelm Schütte (Zimmermann, Wimpassing), Christian Schwenn (Klaviermacher, St. Pölten), Baron Veltheim (k.k. Major, St. Pölten), Julius Zebe (Rasierstubenbesitzer, St. Pölten) und Johann Zwanziger (Rentmeister, Fridau).
Die Gottesdienste finden zunächst im Gymnasium statt, ab 1877 im früheren Schulgebäude am Rathausplatz.
Im Jahr 1885 wird mit Josefine Pook die wohl erste weibliche Presbyterin in der Landeskirche gewählt.
Die Grundsteinlegung der Kirche war am 29. Juli 1891. 1892 wurde die Kirche mit einem zwei Tage währenden Fest feierlich eingeweiht.
Am 2. Juli wurden die drei Glocken geweiht, am 3. Juli die Kirche.
Die Glocken waren in Es, G, und B gestimmt und hatten ein Gewicht von 399, 209 und 100 kg. Sie trugen folgende Inschriften: Die große neben dem gräflich Bausdissin-Zinzendorf'schen Wappen: "Dieses Geläute wurde als ein Denkmal der Liebe zu Gott und zur evangelischen Kirche gestiftet von der Familie Karl Graf Baudissin-Zinzendorf und Gräfin Juliane geb. Baudissin und deren Kinder Comtesse Auguste Marie Anna Ida, Graf Karl und Comtesse Ida im Jahre 1891 anlässlich der Erbauung dieser Evangelischen Kirche."
Die mittlere Glocke zeigte neben dem Kelch den Spruch: 1.Kor. 13,13: "Nun aber bleibet Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei, die Liebe aber ist die größte unter ihnen."
Die kleine Glocke trug neben dem Kreuz den Spruch: Hebräer 13,8: "Jesus Christus gestern heute und derselbige in Ewigkeit."
Bei der Einweihung der Kirche am 2. und 3. Juli im Jahre 1892 zählte die Gemeinde 170 Personen. Die Gemeinde hat die Kirche gebaut, bevor sie einen Pfarrer hat. Große Unterstützer des Kirchbaues war die Familie Baudissin-Zinzendorf, Nachfahren von niederösterreichischem Uradel. Sie besaßen damals die Wasserburg bei Pottenbrunn.
23.2.1885 Kindergottesdienste werden eingeführt.
26.5.1895 Die Predigtstation Scheibbs wird gegründet.
12.6.1897 Die Predigtstation Kernhof wird gegründet.
2.8.1896 Die Predigtstation Zwettl wird gegründet.
9.5.1897 Die Predigtstation Tulln wird gegründet.
1889 Gründung eines Frauenvereins zur Gustav Adolf Stiftung.
1889 Gründung des CVJM - Christlicher Verein Junger Männer (Vereinslokal Rathausplatz 20).
4.9.1898 Wahl der ersten Gemeindevertretung (12 Mitglieder)
Am 20.10.1900 wurde die Pfarrgemeinde selbstständig, 700 Personen gehörten zu ihr in zehn Bezirkshauptmannschaften. Die Pfarrgemeinden Krems, Amstetten, St. Aegyd, Tulln und Melk- Scheibbs wurden im Laufe der Zeit selbständig.
1917 fielen die drei Glocken dem ersten Weltkrieg zum Opfer. Nur eine wurde später von der Pfarrgemeinde ersetzt und trägt die Aufschrift: Dem Andenken der gräflichen Familie Baudissin-Zinzendorf anstelle der 1917 dem Krieg zum Opfer gefallenen Glocken. Gewidmet von der Evangelischen Pfarrgemeinde", und noch einmal der Bibelspruch Hebräer 13,8: "Jesus Christus gestern heute und derselbige in Ewigkeit."
Die Pfarrgemeinde wuchs im Laufe der Zeit durch Zuzüge bei Industriegründungen und besonders durch die Übertrittswelle von 1934. Heute sind im Gebiet der Pfarrgemeinde 2 bis 3% der Bevölkerung evangelisch.
Im Jahr 2017 gedachten wir des Beginns der Reformation vor 500 Jahren, welche symbolstark mit dem Anschlag der 95 Thesen durch den Augustinermönch Dr. Martin Luther am 31. Oktober 1517 an der Schlosskirche in Wittenberg ihren Anfang nahm und die Weltgeschichte prägte.
St. Pölten wurde 2017 zur "Reformationsstadt Europas" ernannt.